Bisherige Klimaschutzaktivitäten der Stadt Wesseling

In Wesseling wurden schon vor der Erstellung des Integrierten Klimaschutzkonzeptes in vielen Bereichen sowohl von der Stadtverwaltung sowie den Stadtwerken Wesseling und den Entsorgungsbetrieben Wesseling, den Wirtschaftsunternehmen und Gewerbetreibenden aber auch in der Großindustrie Klimaschutzmaßnahmen umgesetzt.

Neubaugebiet Eichholz (2. Bauabschnitt)

Schon beim ersten Bauabschnitt des Neubaugebiets Eichholz im Ortsteil Keldenich wurde Wert auf energieeffiziente Gebäudestandards und die Umsetzung diverser Vorsorgemaßnahmen zur Klimafolgenanpassung gelegt. Die Stadt Wesseling entwickelt seit 2017 den 2. Bauabschnitt im Neubaugebiet mit ca. 250 Wohneinheiten. Der überwiegende Teil dieses Bauabschnitts wird über ein Nahwärmenetz versorgt. Zur Umsetzung wurde im Jahr 2017 gemeinsam von den Stadtwerken Wesseling und der GVG Rhein-Erft die Wärmegesellschaft Wesseling gegründet. Das Nahwärmenetz wird durch ein mit Biogas betriebenes Blockheizkraftwerk gespeist. In einem Teilbereich des ersten und zweiten Bauabschnitts erfolgt die Nahwärmeversorgung über ein semizentrales Wärmepumpensystem, bzw. über ein sogenanntes kaltes Nahwärmenetz. Der Begriff „semizentral“ steht hier für eine verfahrenstechnische Vorgehensweise, bei der die Grundwasserförderung und Verteilung zentral und die Installation von Wasser-Wasser-Wärmepumpen dezentral in den jeweiligen Häusern erfolgt. Teile des Rücklaufwassers werden zudem ohne energetischen Mehraufwand zur Speisung eines künstlichen Baches im Wohngebiet verwendet. Der gesamte Heizwärmebedarf liegt in dem betroffenen Teilbereich des Baugebiets bei ca. 1.400 MWh/a, wovon ca. 1.100 MWh/a als Umweltwärme aus dem Grundwasser gewonnen werden.

Notüberlauf für Mischwasser als Klimaanpassungsmaßnahme

Die Stadt Wesseling sieht sich zunehmend mit Starkregenereignissen konfrontiert, die immer wieder zu Überflutungen im Stadtgebiet führen. Besonders schwerwiegend waren die Folgen der Unwetter vom 26.07.2008, 29.06.2012 und vom 19.07.2017. Durch das Eindringen von Schmutzwasser aus der überstauten Kanalisation wurden zahlreiche Gebäude beschädigt und Keller überflutet. Zur Verringerung der Folgen derartiger Ereignisse planen die Entsorgungsbetriebe Wesseling (EBW) in Zusammenarbeit mit der Stadt Wesseling einen Notüberlauf. Durch den Notüberlauf soll das mit Regenwasser gemischte Schmutzwasser der Mischkanalisation bei einem Starkregenereignis gezielt abgeleitet werden, um unkontrollierte Überflutungen der betroffenen Ortslage zu verhindern. Das Becken soll multifunktional ausgestaltet werden und außerhalb der seltenen Einstauereignisse ökologischen Zwecken sowie der Freizeit- und Erholungsnutzung dienen. Der Projektansatz ist vor dem Hintergrund der Mischwasserausrichtung bisher einzigartig in Deutschland.

PV-Anlagen auf Dächern städtischer Liegenschaften

Die Energiepartner Wesseling GmbH installiert und betreibt seit 2013 Photovoltaikanlagen auf den Dächern von acht städtischen Liegenschaften. Auf insgesamt acht städtischen Objekten wurden Photovoltaikanlagen mit einer Gesamtleistung von 420 kWpeak (kWp) und einer Modulfläche von 2.800 m² installiert. Die Anlagen produzieren ca. 350.000 kWh pro Jahr. Bei der städtischen Kläranlage wird der erzeugte Strom selbst verbraucht, alle übrigen Anlagen speisen in das öffentliche Netz ein.

Sanierung und Neubau städtischer Liegenschaften

Bei allen städtischen Sanierungs- und Neubaumaßnahmen wird seit 2013 die Beleuchtung konsequent auf LED Technik umgerüstet. Allein die Umrüstung der Hallenbeleuchtung in der Fünffachturnhalle führte zu einer CO2-Einsparung von 326 Tonnen. Ebenfalls wird bereits seit 2010 bei der Sanierung städtischer Gebäude vorrangig auf eine Beheizung mit regenerativen Energien gesetzt.

Realisierte Projekte sind u. a.:

  • Die nach dem Umbau eines ehemaligen Seniorenheimes „Auf dem Sonnenberg 22“ entstandene Kindertagesstätte (KiTa) wird ausschließlich über Geothermie mit Wärmepumpe in Kombination mit einer Fußbodenheizung beheizt.
  • Die Rheinschule in Wesseling Urfeld wurde 2009 komplett neu errichtet. Energetische Gesichtspunkte standen bei der Planung im Vordergrund. Die Beheizung wird über Geothermie bzw. eine Wärmepumpe und Fußbodenheizung realisiert. Zudem werden Steckdosen, Beleuchtung und die Lüftung über Präsenzmelder bzw. die Gebäudeleittechnik (GLT) gesteuert.
  • Im Rahmen des Konjunkturpaketes II wurde die Goetheschule mit einer Bruttogeschossfläche (BGF) von knapp 4.400 m² umfangreich saniert und eine neue Gebäudeleittechnik installiert. Gleiches gilt für die Brigidaschule mit einer BGF von über 2.700 m².
  • Das Schulschwimmbad wurde bereits 2008 kernsaniert und mit einer neuen Haustechnik ausgestattet. Seit Sommer 2018 wird auch das städtische Hallenbad (Gartenhallenbad) saniert. Im Hallenbad wurde bereits 2013 die alte Heizzentrale durch die Stadtwerke durch einen neuen Gaskessel und ein BHKW mit einer elektrischen Leistung von knapp 50 kW ersetzt. Betreiber der Wärmeerzeugungsanlage ist die Stadt Wesseling. Das BHKW deckt 54 % des Jahresheizenergiebedarfs und rund 2/3 des Strombedarfs des Gartenhallenbads. Es ist des Weiteren geplant, dass in unmittelbarer Nachbarschaft zum Gartenhallenbad eine Kindertagesstätte errichtet werden soll. Über eine Nahwärmeleitung soll das Gebäude auch durch die Wärmeerzeugungsanlage im Gartenhallenbad versorgt werden.
  • Die Kita Stockental wurde nach ökologischen Gesichtspunkten geplant. Es wurden nur ökologische Baustoffe verwendet, dazu Solarthermie und ein Gründach installiert. Integriertes Klimaschutzkonzept Stadt Wesseling
  • Bei neu errichteten Häusergruppen wurden Versickerungseinrichtungen für Niederschlagswasser und Geothermie-Nahwärmestationen bzw. eine Heizung über BHKWs installiert.
Handel, Gewerbe, Dienstleistung (GHD)

Auch in den kleineren und mittleren Unternehmen wurden und werden umwelt- und klimarelevante Projekte realisiert. Die Motivation fällt durchaus unterschiedlich aus. Während es Betriebe gibt, für die der Klimaschutzgedanke handlungsleitend ist, stehen an anderer Stelle wirtschaftliche Aspekte oder Wettbewerbsvorteile gegenüber Mitbewerbern an erster Stelle. Letztgenannte Projekte belegen jedoch eindrucksvoll, dass sich Klimaschutz auch für Unternehmen, die im Wettbewerb stehen, „rechnen“ kann.

Energieversorgung

Viele Wesselinger Unternehmen betreiben bereits seit langem eigene Photovoltaikanlagen auf ihren Betriebs- und Hallendächern. Aufgrund der Degression der Einspeisevergütung für PV-Strom dienen einige Anlagen bereits zur Deckung des eigenen Strombedarfs. Darüber können die Stromkosten in einem Unternehmen um mehrere Hundert Euro pro Monat reduziert werden. Lediglich der Überschussstrom wird noch in das Netz des Netzbetreibers eingespeist und entsprechend den Vergütungssätzen nach dem Erneuerbaren Energien Gesetz (EEG) zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme vergütet. Mit Auslaufen der Vergütung nach dem EEG werden künftig verstärkt auch Altanlagen zur Deckung des Stromverbrauchs in den Unternehmen beitragen und so zumindest in Teilen zu einer unabhängigen und klimaschonenden Energieversorgung führen. Überhaupt ist die „Eigenversorgung“ für viele Unternehmen schon aus rein wirtschaftlichen Gründen wichtig, denn dadurch kann eine gewisse Unabhängigkeit von den Energiemärkten erreicht und damit ein nicht unwesentlicher Bestandteil der variablen Kosten konstant gehalten werden. Neben den PV-Anlagen sind in einigen Unternehmen auch Blockheizkraftwerke (BHKWs) auf Gasbasis zur Deckung des Strom- und Wärmebedarfs für Büros, Werkstätten und Hallen im Einsatz oder in Planung. In Kombination mit den PV-Anlagen können die BHKWs auch fluktuierende Strommengen hervorragend ausgleichen. In einem Unternehmen aus dem Dienstleistungssektor, wo der Betrieb einer eigenen PV-Anlage nicht möglich ist, wird Ökostrom bezogen.

Energieeffizienz

Energieeffizienz ist ebenfalls ein Thema, mit dem sich durchaus bereits mehrere Unternehmen in Wesseling beschäftigt haben. Letztlich geht es auch hierbei um die Reduktion der Energiekosten. Entsprechend spielt die Wirtschaftlichkeit eine wesentliche Rolle aber auch andere Kriterien, wie z. B. eine geringere Lärmbelastung durch akkubetriebene Elektrogeräte anstelle von benzinbetriebenen Maschinen. Als Effizienzprojekte wurden mehrfach die Umstellung der Büro- und Hallenbeleuchtung auf LED-Technik angeführt. Aber auch der Austausch von ineffizienten Heizungspumpen und Antrieben wurde genannt. Etwas komplexer gestalteten sich Maßnahmen zur Installation effizienter Kühl- und Kälteanlagen oder auch zur Nutzung von Abwärme, z. B. aus Serverräumen oder Kühlanlagen im Einzelhandel. Auch der Einzelhandel in Wesseling setzt im großen Stil bei Neubauprojekten auf nachhaltige Gebäudekonzepte, die sich unter anderem durch eine effiziente Gebäudetechnik und klimaschonende Energieversorgung auszeichnen.

Abfallvermeidung und Ressourcenschonung

Schon bei der Beschaffung wird in einigen Unternehmen bewusst auf Umweltaspekte geachtet. Wiederverwertbarkeit und Recyclingfähigkeit aber auch Nachhaltigkeitsaspekte spielen eine wichtige Rolle. Das beginnt bereits beim Bezug und der Verwendung von Büropapier, wobei durchaus auch das „papierlose Büro“ in einigen Unternehmen vorangetrieben wird. Neben dem verringerten Papierverbrauch werden zudem auch Kosten für die Entsorgung und die Leerung der Papierkörbe eingespart. In einem anderen Betrieb wird gezielt die Lebensmittelverschwendung vermieden. Ebenfalls wichtig ist das Schließen von Stoffkreisläufen. Ein Betrieb verarbeitet Grünabfälle zu Biomasse, die entweder in Heizkraftwerken eingesetzt werden kann oder als zertifizierter Kompost in der Landwirtschaft und im Landschaftsbau verwendet wird.

Umweltmanagement

Auch dieses Thema ist bereits in einigen Unternehmen angekommen sodass erste Unternehmen aus dem KMU-Sektor in Wesseling über eine umfassende eigene Nachhaltigkeitsstrategie verfügen. Dies beinhaltet auch die Einbeziehung der Mitarbeitenden in die Unternehmensentwicklung und deren Gesundheitsförderung. An anderer Stelle werden Umweltzertifizierungen durchgeführt oder die Emissionen des Fuhrparks bewertet und durch entsprechende Projekte ausgeglichen.

Mobilität

Auch im Bereich der Mobilität haben sich einige Unternehmen bereits zukunftsfähig aufgestellt und ihren Fuhrpark auf Elektromobilität umgestellt. Drüber hinaus können Mitarbeitende in mindestens einem Unternehmen auch über den Betrieb ein Leasingrad („Jobrad“) als Alternative zum üblichen Dienstwagen erhalten. Zudem bieten viele Unternehmen ihren Mitarbeitenden ein Jobticket an.

Großindustrie

Die Energiemengen, die von den drei großen Industrieunternehmen in Wesseling – der Shell Rheinland Raffinerie, LyondellBasell und der Evonik Industries AG – verbraucht werden, sind enorm. Diese Unternehmen verfügen daher über eigene Kraftwerke, die dem Europäischen Emissionshandel unterliegen. Dies bedeutet, dass die Unternehmen für jede emittierte Tonne CO2 entsprechende Zertifikate vorweisen müssen. Die Preise für diese Zertifikate sind in den letzten 1,5 Jahren aufgrund der Verschärfung des EU-Emissionshandelsgesetzes drastisch gestiegen. Lag der Wert für die sog. „CO2 European Emission Allowances“ im Januar 2018 noch bei 7 € je Tonne, liegt der Preis aktuell (05/19) bei 27 €2. Die permanente Steigerung der Energieeffizienz der Produktionsprozesse ist daher in allen Werken ein wichtiges Element, um die variablen Kosten möglichst gering zu halten und die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen zu sichern. Alle Unternehmen haben daher mit erheblichen Investitionen in modernere Kraftwerke und in Effizienztechnologien am Standort ihre Energie-Bilanz wesentlich verbessern können. Die Shell beispielsweise hat nach eigenen Angaben ihren jährlichen CO2-Ausstoß am Standort Wesseling zwischen 2005 und 2015 um ein Drittel senken können. Weitere Projekte sind in der Planung. Eine wesentliche Maßnahme zur Effizienzsteigerung und zur Verbrauchsreduktion stellt die (kaskadierende) Abwärmenutzung dar. Die LyondellBasell schafft es, den Kühlwasserrücklauf durch die Nutzung der Abwärme auf 30°C und weniger zu reduzieren. Alle Werke verfügen zudem über entsprechende Energiemanagementsysteme, um auch die Potenziale „im Kleinen“, also außerhalb der Produktionsprozesse, auszuschöpfen.

Die in Wesseling ansässigen Großindustriebetriebe engagieren sich über den Verband der chemischen Industrie (VCI) in der In4Climate.NRW Initiative. Ziel der Initiative ist es Strategien zu erarbeiten, um die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie in Nordrhein-Westfalen zu erhalten, zusätzliches Wachstum zu erzeugen und gleichzeitig zur Erreichung der Pariser Klimaschutzziele beizutragen.

LyondellBasell entwickelt zusammen mit dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT) ein neues Recyclingverfahren zur Zersetzung von Kunststoffabfällen, die wieder für die Produktion neuer Kunststoffe verwendet werden können. Die Evonik rechnet in der Entwicklung neuer Produkte bereits intern mit einem CO2-Preis3, wodurch Investitionen und Innovationen verstärkt auch mit der Nachhaltigkeitsstrategie des Unternehmens in Einklang gebracht werden sollen. Shell bekennt sich zu der Tatsache, dass die Energieversorgung weltweit zur Bekämpfung des Klimawandels zunehmend auf kohlenstoffärmere Quellen ausgerichtet werden muss und investiert in den Ausbau erneuerbarer Energien. Entsprechend verändert sich allmählich das Produktportfolio des Unternehmens. 2019 geht im Werk Wesseling der weltgrößte Elektrolyseur zur Herstellung von Wasserstoff mit einer Leistung von 10 MW in Betrieb. Dieser wird etwa vier Tonnen Wasserstoff pro Tag erzeugen, welcher wiederum auch zur Herstellung synthetischer Kraftstoffe, wie z. B. Liquified Natural Gas (LNG, vergl. Kapitel 4.10 „Disruptive Entwicklungen“), verwendet werden kann. Außerdem beteiligt sich Shell aktiv beim Ausbau von Wasserstoff- und demnächst auch von LNG-Tankstellen.

Nicht zu vergessen bleibt, dass viele Produkte der Großindustrie als Ausgangsbasis direkt oder indirekt zu mehr Ressourceneffizienz und Klimaschutz beitragen, egal, ob es sich um Beschichtungen für PV-Module, um Kunststoffbauteile zur Gewichtsreduktion im Fahrzeugbau, oder um Beimischungen für die Herstellung von Autoreifen zur Reduktion des Treibstoffverbrauchs, handelt.